Interkultureller Workshop:
Brücken bauen heisst sich selbst kennen lernen

Vier Nationalitäten auf einem Haufen - Amerikaner, Holländer, Tschechen und Deutsche. Bei Atlantic Bridge ist eine der großen Ideen, sich und die anderen Kulturen kennenzulernen und dadurch Vorurteile abzubauen: "cultural baggage".

So erzählte Dolores Mc Cabe,
Professorin für Counceling am Eastern-College die Geschichte der Sklaverei in Amerika. Als Farbige hat sie sich schon immer bewußt oder unbewußt mit der Rassendiskriminierung auseinandergesetzt und fühlt sich auch heute noch geistig mit ihren Vorfahren im Leid verbunden. Interessant war, daß sie sich in diesem "Mit-leid" auch mit den verfolgten Juden in der Nazi-Zeit in Deutschland verwandt fühlt. Aufgrund der Geschichte ihres Volkes und ihrer Vergangenheit könne sie das Leid der Verfolgten immer nachvollziehen.

Gedanken dieser Art müssen uns Deutschen fremd sein, die wir nie eine unterdrückte Nation waren. Wir meinen zwar oft, solches Leid nachempfinden zu können, doch hört man jemanden wie Dolores davon reden, weiß man, daß man eigentlich nichts weiß.

Im Workshop am Donnerstag
erfuhren wir nicht nur etwas neues über die anderen Kulturen, sondern auch eine Menge über uns Deutsche. Dieser Workshop wurde von Nathan Corbitt geleitet, Professor für International Communications. Zuerst einmal stellte Nathan die These auf, daß er einen Tschechen in Amerika erkennt, auch wenn er die typischen Klamotten, den typischen Haarschnitt und die typische Sonnenbrille trägt. Und zwar ganz einfach durch seine Prägung. Ein Tscheche würde in Amerika zum Beispiel durch seine andersartige Körpersprache und durch seine Umgangsformen auffallen. Das gilt für die Deutschen übrigens genauso.

Und dann wurde es knackig:
Wir wurden aufgefordert, uns jemanden aus einer anderen Nation zu suchen und uns mit ihr oder ihm so hinzustellen, daß sich die Fußspitzen berührten und die Zeigefinger aneinandergelegt waren. Dann sollten wir uns in die Augen schauen und uns ausführlich über das Mittagessen unterhalten.

Die überraschende Erfahrung: Die Deutschen empfanden diese Position als "zu nah" für ein solches Gespräch. Den Tschechen und dem Ami hat die Nähe - die ja wirklich schon Mundgeruchkontakt war - nichts ausgemacht. Im Gegenteil, beide Nationen suchen den Körperkontakt beim Gespräch. Wenn meine tschechische Gastschwester mit mir redete, faßte sie mir beispielsweise immer an den Arm. Wir Deutschen haben uns erst bei mindestens einer Armeslänge Abstand gut gefühlt. Beim Beschreiben unserer Erfahrungen kam raus, daß wir Deutschen uns regelrecht bedroht fühlen, wenn uns jemand Fremdes so nahe kommt.

Da war schon die nächste Frage auf dem Tisch:
Wie gehen wir jetzt damit um, wenn wir wissen, daß ein Tscheche eigentlich ganz gerne nah bei einem steht, ein Deutscher aber lieber einen Schritt zurück machen würde. Geht dann der Tscheche einen Schritt zurück? Oder hält der Deutsche die Nähe aus? Man kann so auch einfach eine Runde durch den Raum laufen: Der Deutsche geht einen Schritt zurück, der Tscheche folgt ihm, der Deutsche weicht wieder aus und so weiter. Eine "richtige" Lösung wurde nicht gefunden. Aber man hat für die verbleibenden Tage ein schärferes Auge dafür bekommen, worin sich die anderen Nationalitäten unterscheiden und hat versucht, zu verstehen, daß das eben durch ihren kulturellen Hintergrund bedingt ist. Wie man letztendlich damit umgeht, liegt dann bei einem selbst. Aber die Unterschiede zu kennen ist der erste Schritt dahin, Brücken zu bauen.