Wir wurden aufgefordert, uns jemanden aus einer anderen Nation zu suchen und uns mit ihr oder ihm so hinzustellen, daß sich die Fußspitzen berührten und die Zeigefinger aneinandergelegt waren. Dann sollten wir uns in die Augen schauen und uns ausführlich über das Mittagessen unterhalten.
Die überraschende Erfahrung: Die Deutschen empfanden diese Position als "zu nah" für ein solches Gespräch. Den Tschechen und dem Ami hat die Nähe - die ja wirklich schon Mundgeruchkontakt war - nichts ausgemacht. Im Gegenteil, beide Nationen suchen den Körperkontakt beim Gespräch. Wenn meine tschechische Gastschwester mit mir redete, faßte sie mir beispielsweise immer an den Arm. Wir Deutschen haben uns erst bei mindestens einer Armeslänge Abstand gut gefühlt. Beim Beschreiben unserer Erfahrungen kam raus, daß wir Deutschen uns regelrecht bedroht fühlen, wenn uns jemand Fremdes so nahe kommt.
Da war schon die nächste Frage auf dem Tisch:
Wie gehen wir jetzt damit um, wenn wir wissen, daß ein Tscheche eigentlich ganz gerne nah bei einem steht, ein Deutscher aber lieber einen Schritt zurück machen würde. Geht dann der Tscheche einen Schritt zurück? Oder hält der Deutsche die Nähe aus? Man kann so auch einfach eine Runde durch den Raum laufen: Der Deutsche geht einen Schritt zurück, der Tscheche folgt ihm, der Deutsche weicht wieder aus und so weiter. Eine "richtige" Lösung wurde nicht gefunden. Aber man hat für die verbleibenden Tage ein schärferes Auge dafür bekommen, worin sich die anderen Nationalitäten unterscheiden und hat versucht, zu verstehen, daß das eben durch ihren kulturellen Hintergrund bedingt ist. Wie man letztendlich damit umgeht, liegt dann bei einem selbst. Aber die Unterschiede zu kennen ist der erste Schritt dahin, Brücken zu bauen.